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Existenzgründer als Arbeitgeber von Morgen01.07.2009
Annaberg-Buchholz. "Auch aufgrund der vielen neuen Gründungen bleibt die Region Erzgebirge in Bewegung", resümiert Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH. 654 Menschen gründeten im Jahr 2007 ihr eigenes Unternehmen im Agenturbezirk ? 513 mit Unterstützung der Agentur für Arbeit und 141 aus den Argen heraus. Die meisten von ihnen nutzten dabei Teile der Qualifizierungskette für Existenzgründer im Erzgebirge, um ihre Existenz auf fundiertes Wissen rund um die Selbstständigkeit zu bauen. "Jeden Einzelnen von ihnen sehen wir auch als künftigen Arbeitgeber an", erklärt Angela Ruthe von der Agentur für Arbeit. Mit dem Rückgang der Arbeitslosenzahlen sei zwar auch die Zahl der Gründungen leicht rückläufig, aber an guten Ideen würde es den potentiellen Gründern nicht fehlen.

Insgesamt 1059 Menschen nutzten die Angebote der Qualifizierungskette im Jahr 2007 (Jahr 2006:1230). Aufgesplittert auf die einzelnen Kurse bedeutet das: 539 Gründungswillige durchliefen die Orientierungsseminare (Jahr 2006:481), 116 nutzten den Gründercheck (Jahr 2006: 213), 394 Gründer belegten Qualifizierungsmodule (Jahr 2006: 507) und 10 Teilnehmer zählte das Existenzsicherungsseminar. Waren es im Jahr 2002 noch 495 Existenzgründer und solche die es werden wollen, welche die Angebote nutzten, hat sich die Zahl in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.

Sechs Personen, die ihre Unternehmensidee in die Praxis umsetzten, präsentierten sich am Montagnachmittag zu einer Pressekonferenz im GDZ Annaberg, die schon fast den Charakter einer kleinen Kooperationsbörse hatte.

"Blumen zum Entspannen und Wohlfühlen" ? verlockend klingt die Geschäftsidee von Anke Nestmann, aus Sehmatal-Cranzahl: 17 Jahre lang habe ich als Floristin gearbeitet ? zehn Jahre dauerte der Wunsch an, ein eigenes Geschäft zu gründen, bis es mir im vergangenen Jahr förmlich vor die Füße fiel. Heute habe ich schon einen großen Kundenkreis, den ich mit immer neuen Ideen begeistern möchte. Ohne die Existenzgründerkette hätte ich vieles nicht gewusst. Fast alle Module habe ich belegt und die vielen Ratschläge auch beherzigt. Man muss sich aber die Kritiken und Erfahrungen der Fachleute annehmen, sonst bringt das Ganze nichts.

Schnell entschlossen, eine Existenz zu gründen hat sich Bernd Riedel aus Schwarzenberg: Ich habe den Beruf des konventionellen Drehers im Werkzeugbereich gelernt und jahrelang auch in dem Bereich gearbeitet. Die Entscheidung zur Selbstständigkeit ging dann sehr schnell. Anfangs war ich eher skeptisch als ich zu einem Seminar im Rahmen der Qualifizierungskette eingeladen wurde. Ich meinte, dafür keine Zeit zu haben. Doch schnell wurde klar, dass es die richtige Entscheidung war.

Was sich hinter einer "Kulinarischen Hexerei-Suppen und mehr" verbergen kann, präsentierte Elke Uhlig aus Gornsdorf: Mit meinen 55 Jahren suchte ich noch einmal die Selbstverwirklichung. Als ich in meinem Garten den roten Johannisbeerstrauch mit den vielen Früchten sah, wusste ich: Das ist es! Inspiriert davon, probierte ich viele Rezepte aus und gründete Anfang August 2007 im Nebenerwerb. Ab 1.Februar, also ab Freitag, betreibe ich meine kleine Firma dann im Haupterwerb. Bisher ist die Resonanz durchweg positiv ? ich kann es kaum glauben. Der Besuch einzelner Bausteine der Gründerkette haben mir richtig das Ego gestärkt um noch einmal durchzustarten.

Auf den Zug des wachsenden Online-Verkaufs sprang Sven Zilller aus Schlettau auf: Seit 2000 betrieb ich einen kleinen Laden im Internet, der mich nur wenige Stunden pro Woche beschäftigte. 2007 wurde ich arbeitslos und die ich stand vor einer großen Entscheidung, wie es beruflich weitergehen soll. Ich besuchte das einwöchige Orientierungsseminar ? danach stand fest: Ich starte durch. Über 30 erzgebirgische Hersteller vom kleinen Seifen- bis zum Spielzeugmacher eine ich in meinem Online-Shop und biete damit über 3000 Artikel an. 90 Prozent der Lieferungen verlassen binnen 24 Stunden das Haus. Das ist meine Philosophie: Der Kunde möchte schnell bedient werden.

Die Schwierigkeiten eines Einzelkämpfers kennt Heiko Zinn aus Königwalde, Ratio-Konstrukt: Es ist oft schwierig, als Einzelkämpfer alle Aufträge unter einen Hut zu bekommen. Meine Kontakte möchte ich künftig so ausbauen, dass ich mit meiner Konstruktions-Firma rentabel arbeiten kann. Ursprünglich komme ich aus dem Handwerk, habe von 1998 bis 2002 ein Fernstudium absolviert. Ich versuche mich ständig weiterzuentwickeln, um meine eigene Firma verwirklichen zu können.

Kunden im Ausland hat Bernd Langer aus Sehmatal-Cranzahl mit seiner Firma zur Automatisierung für Papiertechnik: Während meiner 30jährigen Arbeit in unterschiedlichsten Bereichen der Papierindustrie stellte ich fest: Es fehlt die Flexibilität auf Kundenwünsche hin. In meiner Firma geht es um kundenspezifische Technologien zur Herstellung von Papier. In der Qualifizierungskette für Existenzgründer habe ich Partner gefunden, die mir gute Tipps geben können, um viele Dinge in die Wege zu leiten ? von der Kalkulation bis hin zu Versicherungsfragen.

"Die Qualifizierungskette für Existenzgründer im Erzgebirge hat eine gewisse Alleinstellung", so Lißke. Seit 7 Jahren besteht dieses dreistufige, transparente Programm, das so in Sachsen einmalig ist.

Neben dem modular aufgebauten Kursangebot bietet das Team hinter der Qualifizierungskette auch im Jahr 2008 eine Existenzgründermesse an. Sie findet am 7.Mai ab 14 Uhr in der Marienberger Stadthalle statt.

Hintergrund:

Die "Qualifizierungskette für Existenzgründer im Erzgebirge" ist ein Netzwerk, das Existenzgründer von der Idee bis zum gesicherten Unternehmen begleitet. Ursprünglich initiiert vom damaligen Arbeitsamt Annaberg funktioniert das Netzwerk zwischen den regionalen Akteuren seit dem Jahr 1998.

Die Akteure sind die Agentur für Arbeit, die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, die IHK-Geschäftsstelle Annaberg, die Handwerkskammer Chemnitz, die Wirtschaftsförderungen der Landkreise Aue Schwarzenberg und Mittlerer Erzgebirgskreis, die Argen der Landkreise MEK/ ANA/ ASZ, sowie das Bildungs- und InnovationsPortal BIP der LEB im Freistaat Sachsen.

Bevor die Qualifizierungskette "geboren" wurde, existierte zwar bereits ein umfangreiches Kursangebot auf dem Markt ? allerdings vollkommen uneffektiv, da unabhängig voneinander und ohne terminliche und inhaltliche Abstimmung der Partner untereinander.

Im fünftägigen Orientierungsseminar, welches durch verschiedene Anbieter an den Standorten Annaberg-Buchholz, Aue und Marienberg angeboten wird, erhalten die Teilnehmer einen ersten Überblick über die wichtigsten Felder einer Unternehmensgründung. Dieser Kurs ist somit der Einstieg für die meisten Gründungswilligen in die Qualifizierungskette. Danach sollen die Teilnehmer einschätzen können, ob eine Selbstständigkeit wirklich ein Thema ist oder nicht.

Im Gründercheck (Standort Aue und Annaberg-Buchholz) werden die potentiellen Gründer hinsichtlich des Stands der Vorbereitungen und der Eignung als Unternehmer gecheckt. Im Vordergrund steht die Frage, ob die Gründerperson wirklich geeignet ist, eine eigene Firma mit allen künftigen Anforderungen zu leiten. Im Ergebnis besteht die Möglichkeit einzelne Themen in bis zu 13 Modulen des Trainingszentrums (in Annaberg-Buchholz) zu vertiefen.

Hat der Gründungswillige sein eigenes Unternehmen auf den Weg gebracht, ist eine weitere Begleitung danach abgesichert: Das Existenzsicherungsseminar, welches in den Abendstunden stattfindet, vertieft Themen, die für ein erfolgreiches Unternehmensmanagement relevant sind.

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