Grußwort an die ev. - luth. Kirchgemeinde St. Marien Borna01.09.2014
Liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus!

Wir grüßen Sie herzlich an Ihrem Festtag (Sonntag, 1. September 2013)!

Jahrhundertelang waren unsere Kirchen nicht nur getrennt, sondern auch gegeneinander verfeindet. In der Ökumenischen Bewegung der vergangenen Jahrzehnte haben sich Christen vieler Kirchen aufeinander zu bewegt. Im katholisch - lutherischen Dialog sind zwei Ergebnisse unübersehbar: Zum einen erkennen wir gemeinsam in Martin Luther einen Zeugen Jesu Christi. Zum anderen besitzen wir in der Frage der Rechtfertigung des Sünders durch Jesus Christus allein - also in der Frage, die Martin Luther am meisten bewegt hat und wegen der sich die Christenheit im 16. Jahrhundert gespalten hat - ein gemeinsames Verständnis. Seit Jahren sind wir gemeinsam auf dem Weg "vom Konflikt zur Gemeinschaft".

Freilich bleiben noch Unterschiede, und zwar besonders im Kirchenverständnis: Kann man die Kirche als von Jesus Christus selber eingesetztes Zeichen und Werkzeug der Vereinigung des Menschen mit Gott verstehen, also als ein Sakrament, in dem wir die Gegenwart Gottes sichtbar, leibhaft und daher konkret erfahren dürfen? So lehrt die katholische Kirche.

Oder ist die Kirche das Geschöpf des göttlichen Wortes, die immer und überall dort existiert, wo das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente dem Evangelium gemäß gespendet werden, weshalb die Kirche immer vom Wort abhängig und niemals mit einer historischen Kirchengestalt identifizierbar ist? M. E., so lautet der evangelische Standpunkt.

Diese Unterschiede haben natürlich auch Folgen für das, was für die Einheit der Kirche notwendig ist. Dazu ein Beispiel: Braucht es für die Gemeinschaft im Sakrament des Heiligen Abendmahls nicht auch die sichtbare und erfahrbare Einheit der Kirche als Ganzes, also auch in der kirchlichen Leitung, der kirchlichen Gremien und der Pfarrhäuser? So sehen es Katholiken.

Oder ist die Einheit der Christen in Jesus Christus nicht schon lange gegeben, sodass die Christen verschiedener Kirchen im Blick auf seine rettende Gnade diese Einheit nur zu bezeugen brauchen, indem sie miteinander das Abendmahl feiern, ansonsten aber voneinander unabhängig bleiben können? So sehen es evangelische Christen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder den Anderen nur durch die "eigene Brille" sehen kann. Folglich geht es bei den gegenwärtigen ökumenischen Gesprächen darum, das eigene Vorverständnis angesichts des Anderen zu erweitern, sodass die Einheit wahrhaft umfassend ökumenisch hergestellt wird. Dieser Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft braucht Zeit, Mut und nicht zuletzt Demut.

Die Feierlichkeiten anlässlich des bevorstehenden 500. Jahrestages des Thesenanschlages erwecken auf katholischer Seite Schmerz und Trauer. Luther und die Reformatoren waren angesichts vieler Missstände zu der Einsicht gelangt, dass die damalige Kirche das Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders verdunkelt habe. Sie wollten dem Evangelium zu seinem Recht verhelfen, wurden aber aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen. Heute bekennen katholische Christen offiziell ihre Mitschuld daran.

Damals jedoch verfestigte sich die Einsicht Luthers und der Reformatoren unter dem Druck der Zwistigkeiten zu dem klaren Urteil, nämlich dass die Kirche ihrer Zeit das Evangelium tatsächlich verloren hat. Dieses Urteil wirkt bis heute im evangelischen Kirchenverständnis weiter: Nach evangelischem Verständnis kann jede Kirche das Evangelium (immer wieder) verlieren! Aus einer "echten Kirche", kann "falsche Kirche" werden! Dass nach evangelischem Verständnis Martin Luther und die Reformatoren das Evangelium bewahrt haben, erregt unter evangelischen Christen verständlicherweise Dankbarkeit und Freude; eine Freude, die sich in den Feierlichkeiten der Lutherdekade Ausdruck verschafft.

Im katholischen Verständnis hat jedoch die Kirche das Evangelium nicht verloren und kann es nicht verlieren. Denn trotz aller Missstände bewahrt der Heilige Geist die Kirche durch die Zeiten hindurch in der Wahrheit des Evangeliums. Katholiken erkennen diese Bewahrung bestärkend und tröstend an Maria und allen Heiligen.

Die Feierlichkeiten der Lutherdekade führen aus katholischer Sicht den Graben zwischen beiden Kirchen vor Augen, den die Reformation in der abendländischen Christenheit gerissen hat. Diese Spaltung lag nicht in der Absicht der Reformatoren und hat ihren Anteil auf beiden Seiten. Doch auch wenn die Feierlichkeiten der Lutherdekade auf katholischer Seite Trauer und Schmerz hervorrufen, weisen sie auf etwas Notwendiges hin: Versöhnung kann wahrhaft nur gelingen, wenn alle Beteiligten ihre eigene Schuldgeschichte nicht verschweigen, sondern sehen und vor allem annehmen.

Liebe Geschwister in Jesus Christus! In der Heiligen Messe, die wir zeitgleich zu Ihrem Festgottesdienst feiern, haben wir für Sie und für uns alle gebetet. Das Gebet vermag alle Gräben zu überwinden. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen an der Einheit der Kirche bauen. Mit Spannung und freudiger Erwartung sehen wir der gemeinsamen Sitzung zwischen dem Kirchenvorstand Ihrer Gemeinde und uns am 13. November entgegen.

Es grüßt Sie herzlich und in Christus...

Ihr PGR der katholischen Pfarrgemeinde St. Joseph Borna

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